Dienstag, 3. Mai 2011

Eine Erinnerung

Es entsetzt mich, dass ich damals so alt war wie meine Tochter heute....ich sehe und fühle mein Kind und stelle mir vor, ich war wie sie, damals...so klein, so schutzbedürftig...und so schlimm diese Erinnerung all die Jahre für mich war, heute ist sie schlimmer als je zuvor, denn ich sehe ein kleines Mädchen und ihr etwas derartiges anzutun ist teuflisch kriminell, so unvorstellbar, dass ich froh bin, nicht spontan an meine Erzeugerin ranzukommen.

Ich war drei Jahre alt, vielleicht knapp vier, denn wir lebten damals noch in München-Harlaching, direkt neben dem Krankenhaus. Als ich vier war, zogen wir um nach Unterhaching.
Zu unserer Nachbarschaft gehörte auch ein Kinderheim.
Es lag direkt vor dem Perlacher Forst, der Wald begann gleich hinter dem Haus.
Ich erinnere mich noch genau an den Bau....die Treppe zu den Eingangstüren aus Glas, rechts neben dem Haus ein Spielplatz mit zwei rotbraunen, runden Kletterkuppeln mit runden Löchern.
Gegenüber Wohnhäuser.
Meine Eltern und ich kamen zurück vom Starnberger See, wo wir fast jedes Wochenende verbrachten, bei einer älteren Bekannten meiner „Mutter“ und ihrem Mann, beide für mich recht unangenehme Zeitgenossen.
Aber sie hatten ein Häuschen und einen großen Garten und meine „Mutter“ war sehr gern dort.
Ich war gern im Garten.
Auf dem Rückweg nach Hause muss ich meiner „Mutter“ irgendwie unangenehm aufgefallen sein, denn als wir in unserer Straße angekommen waren, wurde sie laut und mein Vater hielt nicht vor unserem Haus sondern fuhr weiter, geradeaus und dann links.
Vor dem Kinderheim hielten wir.
Meine „Mutter“ stieg aus und holte mich vom Rücksitz.
Mein Vater blieb sitzen.
Sie sagte, dass dies ein Heim sei für Kinder, die man nicht mehr wolle.
Und deshalb solle ich da jetzt reingehen.
Ich stand auf dem Gehsteig und verstand nur „nicht mehr wollen“....sie war sehr aggressiv, schob mich Richtung Eingang, zu den Treppen und sagte, ich solle gehen, dein Vater und ich wollen dich nicht mehr, dadrin kannst du nachdenken, was du uns antust.
Mein Vater bewegte sich nicht.
Ich weinte....hatte furchtbar Angst...ich war drei Jahre alt...ich bettelte meine „Mutter“ an, sagte, dass ich sie lieb habe....aber sie schob mich weg.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, dass mein Vater endlich reagierte....er stieg aus und meinte zu ihr, es sei jetzt genug....
Was dann geschah, weiß ich nicht mehr.
Es bleib, wie es war.
Ich habe meinem Vater vor einigen Jahren davon erzählt.....er erinnerte sich nur widerwillig, weil klar.
Und in seinen Augen war das pure Entsetzen....und sehr viel Scham über seine Unzulänglichkeit...


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen