Mittwoch, 11. Mai 2011

Ozeane


Zerrissen,
innerlich wie äußerlich
spürbar,
wahrnehmbar wie
alles, was nicht
geschieht zwischen uns;
kettenrauchend
schädelkratzend
herzblutend
panikattackiert
sortiere ich Überbleibsel
deiner emotionalen
Authentizität und
noch während ich mir
dieses Fehlers bewusst werde,
nehme ich lässige Verweigerung
als Ekel wahr und
begehe ihn als Schmerztherapie,
falle ab von
Glauben und Lust,
niederschmetternd in Zweifelsbuchten
aller zärtlichen Ozeane.


Montag, 9. Mai 2011

Ein Teil von mir

Er und ich, das war die große Liebe.
Sie mag in unserer Gesellschaft als....schwierig angesehen sein, aber Dinge passieren.
Liebe passiert, auch, wenn schon ein Trauschein (allerdings keine Kinder) da ist.
Ich spreche nicht von einer kleinen Affäre, ich spreche von Liebe.
Wir haben dagegen gekämpft, aber es ging irgendwann nicht mehr.
Das nur vorweg....
Zwei oder dreimal habe ich während wir vögelten halbherzig zu ihm gesagt, dass es jetzt gerade schon ein bisschen gefährlich sei, er ignorierte das mit einem Lächeln.
Unseren Gefühlen hielt nichts stand.
Weder seine Ehe, noch meine Beziehung.
Im August 2006 trennte ich mich von meinem Freund und zog im September in eine kleine Wohnung nach Schwabing in P.'s Nähe.
Ich empfing, was er mir gab, und er gab mir alles.
(So dachte ich damals, heute weiß ich, dass es viele wunderbare, starke Worte und Versprechungen waren – mehr nicht).
Unter anderem einen gemeinsamen Alltag wenn seine Frau auf Reisen war.
In Restaurants, Biergärten und an Orten, die sie als Ehepaar besuchten.
In ihrer Wohnung....
P. hat mich nie versteckt.
Und ich habe sein Verhalten gelesen wie ein Zugeständnis.
Soviel Liebe, soviel Wärme, soviel Kraft.
Nicht nur einmal habe ich ihn angesehen und in ihm den Vater meiner Kinder gesehen.
Ich erinnere mich an ein Gespräch, welches wir Ende Oktober 2006 führten...
Ich fragte ihn, ob er sich mich als Mutter seiner Kinder vorstellen könne und er antwortete so spontan und klar mit "Ja" dass es mich vom Stuhl fegte.
Und ich sagte zu ihm: Bis ich ein Kind habe, bist du mir das Allerliebste auf der Welt.
Er fragte, was danach sei und ich antwortete: Dann nur noch das Liebste.
Eine Woche später flog seine Frau wieder in die USA.
Wir hatten erneut uneingeschränkt gemeinsame Tage und Nächte.
Zwei weitere Wochen später war ich schwanger.
Ich hatte so ein Gefühl...und machte den Test schon zwei Tage bevor ich meine Regel bekommen sollte.
Er war eindeutig positiv und ich habe geheult, weil der Mann, den ich unbeschreiblich liebte und ich zu einem kleinen Wesen verschmolzen waren, dass jetzt wachsen wollte.
P. fiel aus allen Wolken.
(Was ich erstaunlich fand...)
Plötzlich war da eine Diskrepanz zwischen meiner Empfindung und seiner, unser Kind betreffend.
In dem Moment, als ich ihm von unserer Schwangerschaft erzählte, begann eine neue Zeitrechnung.
 
Dann kam der 4. Dezember 2006.
Ich hatte frei an dem Tag.
Ich ging ganz banal aufs Klo und plötzlich spürte ich, wie...etwas aus mir herauslief - in großen Mengen.
Ich wusste sofort, dass dies nur eins bedeuten konnte.
Es lief und lief, Unmengen von Blut. Klumpenweise.
Ich muss so geschrien haben, dass meine Nachbarin, die einen Schlüssel hatte, sofort zur Stelle war.
Sie stopfte mir ein Handtuch zwischen die Beine aber das war schnell durchgetränkt.
Überall Blut. Im Bad, die Kloschüssel, der Boden, der Weg zu meinem Bett.
Ich habe sie angebrüllt, sie soll mir das Telefon holen.
Sie sagte, nein, sie rufe den Notarzt.
Ich wollte keinen Notarzt, ich wollte P.
Unser Kind war weg. Im Klo.
Ich erreichte ihn nicht, nur die Sekretärin. Ich schrie sie verzweifelt an, sie sollte ihn mir schicken, unser Kind...es war mir egal, ob es nun alle erfahren würden...
Zwanzig Minuten später war er da.
Er nahm mich schweigend in die Arme und ließ mich heulen, schreien, wimmern, hielt mich einfach nur und wiegte mich.
Er wischte das ganze Blut auf, zog mir was Frisches an und hat mich dann irgendwie ins Auto verpackt und ist mit mir in die Frauenklinik an der Maistraße gefahren.
In der Notaufnahme haben wir gesagt, dass wir gerade unser Kind verloren hätten.
Ich lag auf diesem Gyn-Stuhl, hörte wie das Blut auf den Linoleumboden tropfte und krallte mich in P.‘s Hand.
Der Arzt machte einen Ultraschall um zu sehen, was noch an Gewebe in der Gebärmutter zurückgeblieben war.
Kurz darauf sagte er zu P., er solle mal schauen und deutete auf den Monitor.
Da ist ihr Kind, sagte er.
Noch sehr, sehr klein, aber da ist es doch....
Ich habe Tränen in P.‘s Augen gesehen.
Und war binnen Sekundenbruchteilen der glücklichste Mensch auf Erden.
Da war MEIN Kind...

Mitte Dezember wurde ich mit der Auflage mich zu schonen und der Diagnose "drohender Abort" aus der Klinik entlassen.
Alles schien ok.
Nur dann....bei P's Frau wurde Brustkrebs diagnostiziert.
Während ich in der Klinik war um das ungeborene Kind ihres Mannes zu retten, wurde sie in einer anderen Frauenklinik operiert.
P. pendelte von Frauenklinik zu Frauenklinik.
Er sagte, es zerreiße ihn.
An Klartext mit seiner Frau war nicht zu mehr zu denken.
Er sagte, er könne sie jetzt nicht verlassen...und ich rechnete ihm das hoch an...ich hätte ihn nicht mehr wollen, wenn er sie jetzt im Stich gelassen hätte.
Seine Frau bekam Chemo verordnet, sechs Zyklen, ich weiterhin strenge Bettruhe.
Sie kämpfte um ihr Leben, ich um das meines Kindes.

Weihnachten war er mit seiner Frau bei der Familie in R.
Ich war bei meinen Eltern, die meine Schwangerschaft nicht akzeptieren wollten.
Vor allem mein Vater machte mir klar, dass ich wahnsinnig sei in meiner Situation und dann noch mit einem verheirateten Mann ein Kind zu zeugen.
Vielleicht war ich wahnsinnig...aber ich trug mein kleines, immenses Wunder im Leib.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag begann ich wieder zu bluten.
Wieder Unmengen von Blut.
Und dazu starke Schmerzen.
Mein Vater brachte mich in die Klinik.
P. in R.
Ich war allein mit der Angst.
An Silvester sah ich von meinem Klinikbett aus in die Nacht, sah das Feuerwerk über München und zwang mich, nicht zu heulen, denn ich durfte mich nicht verkrampfen.
Noch nie zuvor war ich so einsam.
Allein mit der Angst um mein Baby...

Man machte mir klar, dass ich ab jetzt liegen müsste, wenn ich das Kleine behalten will.
Auch dürfe ich mir keine Erkältung einfangen, denn Husten und Niesen sei riskant.
Nur aufstehen, um auf's Klo zu gehen und mich zu waschen.
Ob ich jemanden hätte, der für mich sorgt, einkauft, kocht, putzt etc.
Nicht wirklich...meine Eltern waren restlos überfordert, fürchteten u.a., dass ich eine genauso bestialische Mutter werde wie meine, ich kenne es ja nicht anders und meine Stiefschwester nahm es mir persönlich übel, dass ich unverdient ein Kind bekomme und sie, obwohl sie einen Spitzenjob hat, einen Ehemann und einen langen Kinderwunsch  - wird nicht schwanger.
Warum so auf ein Ungeborenes aufpassen, das ja doch...naja, besser nicht geboren wird...da kam keine Hilfe, nicht mal ein Anruf.
Ich organisierte mir den Tengelmann-Lieferservice und da auch P. nicht viel Zeit hatte, ließ ich eben alles stehen und liegen.
Staubsaugen oder Fehlgeburt riskieren...
Die Staubmäuse in meiner Wohnung wurden dick und fett, aber egal.
Zumindest trug er mir regelmäßig die Wäschekörbe rauf und runter, so dass ich frische Sachen hatte.
Ich lag tagein tagaus auf meinem großen, roten Sofa und sah fern.
Ich wurde zum Spezialisten was veterinäre Notfallmedizin anging, was ein perfektes Dinner ausmachen kann und wurde Zeuge zig glücklicher Geburten bei „mein Baby“ - es gibt NUR glückliche Geburten.....also. Keine Panik.
Ich vergaß, dass RTL ein Privatkacksender ist.....

Jeder Gang aufs Klo wurde zu einer Tortur aus Angst.
Ich trank wenig, um nicht so oft gehen zu müssen.
Jedes Hüsteln, jedes Niesen versuchte ich mir zu verkneifen.
Passierte es doch, war ich in Panik, ob wieder was aus mir herausfloss.
Ich habe überall Blut gewittert....solche Angst gehabt....
Anfang Februar war es wieder soweit.
Wieder Klinik.
Zwei Wochen später Entlassung.
Allerdings hatte mir die Krankenkasse eine Haushaltshilfe gestellt, ich durfte ja nichts machen.

Zwischendurch Lichtblicke.
Im März das erste große Ultraschallscreening.
Wir sahen unser Kind, wie es sich bewegte, die Fingerchen, das pochende Herzchen, kleine Beinchen...und wir erfuhren, dass wir eine Tochter bekommen.
Lilly-Sophie...
P. war völlig hin und weg....saß gebannt vor dem Monitor und hatte Tränen des Glücks in den Augen...
Ich zählte die Tage, die Wochen, bis zu dem Zeitpunkt, als die Gefahr einer Fehlgeburt nur noch das Risiko einer Frühgeburt war.
Im April wurde ein Schwangerschaftsdiabetes bei mir festgestellt, noch eine Gefahr für Lilly.
Wieder Klinik...
Ich musste mich bis zu vierzehnmal am Tag spritzen, Langzeit-Insulin, Insulin vor jeder Mahlzeit, alle zwei Stunden essen, ständige Kontrolle der BZ-Werte.
Ich war am Ende.
P. war am Ende.
Er ließ mich fast nur noch allein.
Monatelang jedes Wochenende R., oft länger als das Wochenende.
Da beide ursprünglich aus R. kommen und seine Frau natürlich viel bei ihrer Familie sein wollte, blieb für mich keine Zeit.
P. flüchtete sich in R. zu alten Freunden.
In München kam er nächtelang nicht nachhause, verbrachte die Zeit in den legendärsten Schwabinger Kneipen.
Er floh vor seiner Frau.
Floh vor mir.
Vor seinem schlechten Gewissen ihr gegenüber.
Mir gegenüber.
Mehr als einmal solidarisierte ich mich innerlich mit seiner Frau.
Und als der Zeitpunkt gekommen war, da ihre Chemo erfolgreich beendet war, war auch der Zeitpunkt gekommen, dass Lilly geboren werden sollte.
Aufgrund des Schwangerschaftsdiabetes sollte die Geburt Anfang Juli, also vier Wochen vor dem Geburtstermin, mit Wehen auslösenden Mitteln eingeleitet werden.
In der Frauenklinik Maistraße war ich inzwischen "Stammgast" und bekannt wie ein bunter Hund, deshalb bekamen P. und ich eine ganz private Geburtsvorbereitung und ausführliche Kreissaalführung.
Aber dann eskalierte alles.
Und nichts war mehr wie zuvor, denn die Welt geriet aus den Fugen.
Am 4. Juli wurde ich stationär in der Maistraße aufgenommen.
Ich kam auf die Wochen-Station und bekam ein Einzelzimmer, da meine Situation bekannt war und man mir ersparen wollte, mit anderen Müttern in einem Zimmer zu liegen, die Besuch von glücklichen Papis, Omas und Opas bekamen.
Abgesehen davon war ich eine Risikoschwangere...vielleicht haben sie schon geahnt, dass etwas schieflaufen könnte.
Am Mittwoch den 6. Juli wurde morgens mit der Einleitung der Wehen begonnen.
Ich kam in den Kreißsaal, P. an meiner Seite.
Sie erklärten uns, dass es dauern könne, bis anständige Wehen entstehen, da mein Körper und das Baby noch nicht auf eine Geburt eingestellt sind. Zwei Tage, drei, vielleicht vier Tage.
In der Nacht dann bekam ich tatsächlich Wehen, aber sie waren gut auszuhalten, ergo nicht effektiv...
Am Donnerstag und Freitag wurde die Dosis Cytotec leicht erhöht, aber gescheite Wehen blieben aus.
Ich konnte noch klar denken, also kein Schmerz, der zum Ziel führt.
Krass, dachte ich mir....monatelang habe ich Angst vor (vorzeitigen) Wehen, und jetzt, wenn sie kommen SOLLEN, bleiben die Mistviecher weg...
P. war sehr präsent, saß stundenlang neben mir während Wehen und die Herztöne des Kindes aufgezeichnet wurden, brachte mir Cola und Schokolade, wenn ich in den Unterzucker abrutschte und lauschte den Bewegungen (und dem Schluckauf) seiner Tochter. Wann immer sie sich wegdrehte, "wanderte" er ihr mit dem Micro auf meinem Bauch nach.
Am Samstag wurde pausiert.
Am Sonntag weiter eingeleitet.
Dem gesamten Team war klar, dass ich einem Kaiserschnitt nur zustimmen würde, wenn es um Leben und Tod geht.
Dennoch erklärten sie uns vorsichtig, dass man nicht zulange einleiten könne...zumal war mein Muttermund erst einen Zentimeter weit offen.
Von Anfang an hatte ich klargemacht, dass eine Spontangeburt sein "muss", weil dieser gemeinsame Prozess durch die Geburt unseres Kindes sehr wichtig für P. und mich sein würde. Ein Kaiserschnitt ist viel zu abstrakt, zack auf einen Tisch und schwupps, zaubern sie bevor man begreift was passiert, "irgendwoher" ein Neugeborenes.
Wir hatten die Schwangerschaft kaum miteinander erlebt, es war mir so wichtig, dass wir wenigstens die Geburt zusammen erleben.
Ich hatte all meine Hoffnung während der vergangenen, furchtbaren Monate auf die Geburt konzentriert, und dass es da bei ihm einen Schalter umlegen würde. Und P. hatte mir klar gemacht, dass er, egal was auch immer sei, dabei sein werde.

Und es sah gut aus !
Sonntag Abend ging ich mit Wehen ins Bett und wachte gegen 3.30 Uhr auf, weil sie extrem stark waren.
Die Nachtschwester meinte, es wäre noch viel Zeit, ich solle versuchen, etwas weiterzuschlafen, ich werde die Kraft brauchen.
Aber irgendetwas trieb mich um.
Ich wollte in den Kreißsaal um ein CTG schreiben zu lassen.
Die Schwester grinste nur und sagte, viel, viel zu früh, schlafen Sie mal weiter.
Ich MUSSTE aber in den Kreißsaal, irgendetwas zwang mich.
Also ging ich allein nach oben, auch auf die Gefahr hin, dass sie mich auslachten.
Eine Hebammenschülerin hängte mich ans CTG und suchte nach Lilly's Herztönen.
Sie fand sie nicht.
"So, also Lilly versteckt sich mal wieder", lachte sie und ging die diensthabende Chefhebamme holen.
Lilly tat das öfter, nichts Ungewöhnliches.
Aber mein Gefühl war ungewöhnlich.
Die andere Hebamme fand die Herztöne auf Anhieb.
Sie waren extrem langsam.
Und verschwanden schließlich ganz.
Notsectio, brüllte sie.
Dann war da nur noch ein Schreien und Rennen.
Binnen gefühlter Sekunden war das gesamte Notfall-Team da.
Sie schnitten mir hektisch mein Leinenkleid vom Leib, eine Hebamme drängte meine Schenkel auseinander und schob mir einen Katheter in die Blase, die andere hielt das Micro vom CTG gegen meinen Bauch und währenddessen rasten sie mit mir in den OP gegenüber vom Kreißsaal.
Wir verlieren das Kind.
Keine Herztöne mehr.
Verdammte Scheiße geht das nicht schneller.
Viele Stimmen um mich.
Ich bekam kaum Luft.
Bleib bei mir Lilly, redete ich in meinem Inneren auf sie ein.
Wir schaffen das.
Ich flehte die Hebammen an, P. anzurufen.
Sie hievten mich auf einen Tisch, Beine auseinander, festgeschnallt, ein eiskalter Schwall Jod schoss über meinen Bauch, sie klebten mir Messfühler auf die Brust, jagten mir etwas in die Handvene, hinter mir ein Mann mit verdecktem Gesicht, Anästhesist, ob er etwas Wichtiges wissen müsse, Gestationsdiabetes, sagte ich völlig rational, letzte Mahlzeit um 22.00 Uhr, BZ 87 um 23.00 Uhr, keine Allergie gegen Penicillin...wir kümmern uns um sie, sagte er, dann eine andere Stimme intubiert sie, scheiße, wir können nicht warten...ich mach sie auf....mein Bauch wurde grob nach oben gedrückt dann wurde geschnitten...auf mein Gesicht wurde eine Maske gedrückt...bleib bei mir, Lilly...

Flaschen über mir, kleine Lichter flackern, Nebel, ein regelmäßiges Piepsen wie durch Watte...viel Schmerz...mein Kind...ich suche meinen Bauch, eine Schwester nimmt meine Hand...wo ist mein Kind...sie ist auf der Neugeborenen-Intensivstation...sie lebt...Lilly lebt.
Mehr soll ich noch nicht wissen.
Wie geht es ihr...
Sie wiegelt ab.
Sie lebt, sie ist hier in besten Händen.
Ich versinke wieder in etwas wie Schlaf.
Irgendwann rieche ich P., er ist da...er sagt, er war bei ihr, er hat sie gesehen......und ? frage ich...sie ist wunderschön, sagt er, wunderschön...er hat Tränen in den Augen.

Als ich wieder aufwache, ist es halb neun am morgen.
P. sitzt neben mir.
Er hat meine Eltern angerufen und ihnen gesagt, dass Lilly geboren ist...
Ich bin nackt, nur mit einem Tuch bedeckt, überall Schläuche und Kabel...er hält meine Hand.
Lilly lebt...er zeigt mir ein Polaroidfoto von ihr...so klein ist sie, in einem Brutkasten mit einem Mützchen auf dem Kopf...und großen, offenen Augen...ich heule vor Erleichterung - und Glück.
Ich liebe dich, sage ich zu P.
Sein Gesicht...wie er mich ansieht...er sieht mich mitleidig an...seltsam, wie schnell man bei sich ist, wenn alle Alarmglocken schrillen...warum sieht er mich so an ? Und erwidert nichts ?
Was ist ?
Er wiegelt ab.
WAS IST ?
"Jetzt ist nicht der Zeitpunkt...."
Mir wird übel...
WAS
IST...
"Ich kann so nicht weitermachen...ich kann dieses Doppelleben nicht weiterführen...wir müssen unsere Beziehung neu definieren..."
Er prügelt mit diesen Worten auf mich ein.
Ich muss mich übergeben.
Und kann nicht mehr aufhören, zu weinen.
Gebt mir mein Kind und lasst mich weg. Weit weg.

Am Nachmittag werde ich in mein Zimmer verlegt.
Ich will Lilly sehen...die Schwestern vertrösten mich.
Bald, sagen sie.
Als sie sie aus mir herausgeschnitten hatten, hatte Lilly die Nabelschnur dreimal um den Hals, sie hat kein Lebenszeichen von sich gegeben und nicht geatmet.
Sie wurde mehrmals reanimiert.
Aber sie hat wieder gekämpft, wie die Monate zuvor in meinem Bauch.
Sie WILL leben, dieses kleine, große Wunder.

P. kommt wieder.
Meine Eltern sind auch da.
Dann ist es soweit...die Schwestern schicken sie aus dem Zimmer.
Ich habe keine Ahnung, wie ich mich bewegen soll...zu zweit richten sie mich langsam auf.
Ich habe an beiden Händen Infusionen, einen Blasenkatheter und eine Redon-Drainage in der Wunde.
Mit Hilfe der beiden Schwestern stehe ich wacklig auf meinen Beinen.
Aus mir läuft Zeug raus, in rauen Mengen.
Ich soll mir keine Gedanken machen, das sei der Wochenfluss.
Sie setzen mich in einen Rollstuhl, der mit pfundweise Moltex-Unterlagen ausgelegt ist und verschachteln meine diversen Schläuche.
Lilly. Endlich darf ich mein Kind sehen...
P. schiebt mich, meine Eltern gehen mit.
Sie haben mich liebevoll begrüßt...sehen sehr besorgt aus...
Die Neugeborenen-Intensivstation ist auf der Wochenstation, also nur ein kurzer Weg über den Gang.
Wir dürfen nicht alle zusammen rein.
Erst P. und ich.
Wir müssen uns die Hände desinfizieren.
Er weiß, wo sie ist, er war schon bei ihr...mein Herz schlägt zum Zerbersten.
Dann stellt P. mir unsere Tochter vor.
Ich sehe sie...und er und ALLE sind weg, weit weg.
Da liegt Lilly.
Nackt, mit winzigen Kabelchen am Körper, einer winzigen Windel und auf einem flauschigen Fell in ihrem Inkubator.
In mir passiert ein Gefühl, wie es unmöglich zu beschreiben ist.
Liebe, absolute Liebe. So innig, dass ich sie schmecken, atmen, greifen kann.
Dieses Kind sieht mich an. Sie ist wach, lebendig...ihr Blick völlig klar und zielgerichtet.
Das ist mein Kind. Meine Lilly.
Zwischen uns ist sofort dieses Band, jetzt begreifbar, was uns über all die vergangenen Monate verbunden hat - das Kämpfen, das Leben wollen.
Unsere Liebe.
Sie sieht mich mit einem "Erwachsenen-Blick" an, ich kann es kaum anders beschreiben, denn ich dachte bis dato, Babies können gar nicht gescheit schauen.
Sie scheint genau zu wissen, was und wen sie sieht.
Ihre Haut ist hellrosig und glatt, völlig ebenmäßig, keine Fältchen, kein verhutzeltes, rotes Gesicht, sie hat wenig Haare und die sind goldblond...alles an ihr so winzig...
P. quillt über vor Stolz, seine Augen leuchten und noch nie habe ich einen erwachsenen Menschen so fasziniert staunen sehen....heute weiß ich, dass ich ihn in diesen ersten Momenten mit unserer Tochter das letzte Mal lebendig gesehen habe.

Nacheinander dürfen auch meine Eltern zu Lilly, P. geht raus, und erst kommt mein Vater, nach ihm meine Stiefmutter.
Mein Vater schaut Lilly an, dann mich und er sagt: da hast du schon ein schönes Kind...das ist ein sehr liebevolles und großes Zugeständnis für ihn.
Während ich noch kurz mit Lilly allein sein will, warten P. und meine Eltern draußen.
Er erklärt meinen Eltern, dass er mich und Lilly nie im Stich lassen wird und alles tun wird, damit es uns gut geht und er ein guter Vater für die Kleine ist.
Aber er könne seine Frau jetzt, wo sie gerade die letzte Chemo hatte, nicht im Stich lassen.

Dann sind er und ich allein in meinem Zimmer.
Ich sitze vor ihm im Rollstuhl.
Wir müssen unsere Beziehung neu definieren...
Vielleicht hatte ich aber auch einfach zuviele Schmerzmittel...
Er kann so nicht weitermachen, sagt er.
Er kann nicht mehr mit zwei Frauen eine Beziehung haben, sagt er.
Nicht mit zwei Frauen ein körperlich und seelisch befriedigendes Liebesleben führen, sagt er.
Lilly zuliebe müssen wir beide uns anders arrangieren, sagt er.
Ihr ein Gerüst geben, an dem sie sich gut entlanghangeln kann.
Es geht nicht mehr als Liebespaar mit uns, sagt er.
Seine Gefühle und sein Begehren seien da für mich, aber sie seien verschüttet, überdeckelt von seiner Ratio.
Er geht kaputt, wenn wir weiter ein Paar sind.
Wir müssen unsere Beziehung neu definieren.
Ich kann nicht glauben was er da sagt...ich schnappe nach Luft...mein Magen...mein Bauch...Tränen...ich kann es nicht glauben....was er da tut.
Ich sitze vor ihm, vor dem attraktiven, großen, bildschönen, begehrten, sich seines womanizing bewussten, intelligenten, nach Azzaro duftenden, humorvollen, erotischen P., ich in einem hellblauen OP-Hemdchen, das vorne Flecken hat weil meine Brüste Milch verlieren, deren lange, blonde Locken strähnig und klebrig sind, mein Gesicht verheult, aufgedunsen von Medikamenten, nach Schweiß stinkend, drei Wochenbinden in der Netzhose, die vor Blut überquellen, einen Beutel mit meiner Pisse umgehängt, eine Flasche mit meinem schmierigen Wundsekret aus dem Bauch hängend und er....er sagt mir ins Gesicht, dass er mich nicht mehr will.
Ich sitze vor Schmerzen und der Narkosewirkung flucht- und bewegungsunfähig vor ihm und er tritt zu.
Am Geburtstag unserer Tochter, der fast ihr Todestag gewesen wäre, spuckt er mir sein egoistisches Befinden ins Gesicht, er weist mich als Frau zurück nur Stunden, nachdem ich sein Kind geboren habe.
Ich weine wie kaum zuvor in meinem Leben. Er zerreißt mich in Stücke. Er stopft eine Bombe in mich und zündet sie.
Ich breche einfach zusammen.
Ich möchte Lilly nehmen und fort, weit fort.
P. steht hilflos am Fenster und hört mir beim Weinen zu.
Ich sage ihm, er soll gehen.
Er schaut nur.
Geh zum Teufel, sage ich.
Er geht.

Ich bekomme keine Luft mehr, kann nicht aufstehen....komme nicht an die Glocke, aber ich brauche jemanden, eine Schwester...ich versuche mich irgendwie fortzubewegen, aber ich verheddere mich in den Schläuchen...
Gott....Lilly...helft mir...
Ich kann nicht mehr.


Die nächsten Tage ist P. sehr präsent.
Er ist noch am Tag von Lilly's Geburt zu seiner Frau und hat sie verlassen.
Im Nachhinein habe ich erfahren, dass sie froh war, endlich zu wissen, was los ist.
Mir war klar, dass sie etwas spüren muss...und gerade wenn man krank ist, hat man ein feineres Gespür. Aber als ich das P. in der Vergangenheit sagte, wollte er es nicht hören.
Er ist in der "Nachbarschaft"...einen Steinwurf von der Frauenklinik entfernt in der Psychiatrie gelandet.
Mit der Diagnose bipolare Störung und akuter, manischer Schub.
Allerdings bekommt er Ausgang um bei mir und Lilly zu sein.
Ich kann ihn kaum ertragen, aber ich will Lilly auch nicht die Chance auf einen Vater vermasseln....
Und ich konnte nicht begreifen, dass sein Verhalten mir gegenüber nicht er ist sondern seine Erkrankung. Damit tue ich mich noch heute schwer.

Ich weiß nicht mehr so viel, aber mein Zustand muss dermaßen übel gewesen sein, dass alle Angst hatten, ich tue mir was an sobald ich allein aufstehen kann.
Ich versuchte, mit meinem Verstand an P. ranzugehen, suchte Erklärungen und vor allem etwas, dass mir das Gefühl der Wertlosigkeit nehmen könnte, aber nichts, er war wie seelenlos.
Nur Lilly brachte ihn dazu, dass sein Gesicht weich und sein Blick warm und liebevoll war.
Mir sagte er nur immer, seine Gefühle seien nicht weg....nur verschüttet...aber unsere Beziehung sei beendet genauso wie seine Ehe beendet ist.
Ich sehnte mich nach einem bisschen Anerkennung, jemand der sagt, gut gemacht, du bist stark, gratuliere zur Geburt oder nach einer Umarmung oder einem kleinen Strauß Blumen...um mich herum glückliche Eltern, Geschenke, Freude, Zimmer, die vor Blumen, Luftballons, Stofftieren überquollen und meines leer...aber Blumen aus dem Garten meiner Stiefmama, ein Schmetterlingspäckchen mit einem selbstgestrickten Jäckchen für Lilly....so liebevolle Gesten aber nichts, nichts von P.....allerdings bekam ich von einer Mitpatientin ihre Blumen als sie entlassen wurde...ich wollte weg.
Nach einem weiteren Zusammenbruch wenige Tage später, bekam ich starke Psychopharmaka und musste abstillen. Ich hatte noch gar nicht richtig angefangen...weil ich mich nicht zusammenreißen konnte, durfte mein Kind meine Milch nicht mehr bekommen...
Ich versicherte zwar, dass ich mir nie was antun würde, weil mein Kind doch nicht umsonst so gekämpft haben soll, aber sie hatten trotzdem Angst.

Während Lilly sich prächtig machte und bald von der Intensivstation auf die normale verlegt wurde, ging es mir immer schlechter.
Die Wunde verhielt sich wie die ganze Situation - sie eskalierte.
Infektion, Fieberschübe, furchtbare Schmerzen.
Eines Nachts war ich weg - Sepsis.
Wieder Not-OP, ich wurde wieder aufgeschnitten, die Wunde offengehalten und täglich gespült.
Ich war sieben Wochen auf der Wochenstation....gottseidank wurde ich nicht verlegt, und konnte in Lilly's Nähe sein...aber ich hatte nicht das Gefühl, mich genug um sie zu kümmern...ich durfte sie nicht anfassen wegen der Keime in mir und an mir, aus mir lief eine stinkende Brühe raus und ich konnte nicht mal das Essenstablett heben.
Die Wunde brauchte ein halbes Jahr, um zuzuwachsen.
Heute habe ich kein Gefühl mehr unterhalb meines Bauchnabels und meine Blase funktioniert nicht mehr wie sie sollte.

Da ich damals auch nicht wusste, wie es finanziell weitergehen soll, da P. nicht den erforderlichen Unterhalt zahlen würde (in der Manie haut er Unmengen von Geld für nix raus), schlug man mir vor, in ein Mutter-Kind-Heim zu gehen, denn nach Hause in meine alte Wohnung wollten sie mich wegen der dortigen Erinnerungen nicht entlassen, dafür sei ich zu instabil.
Da beschloss meine Stiefmama, dass ich zu ihr und meinem Vater gehe, bis ich wieder mehr Stabilität gewonnen habe.
Nach Hause...
Ich war drei Monate mit Lilly bei meinen Eltern....während der Zeit konnte ich viel erledigen und mir für mein Kind und mich eine eigene, kleine Existenz aufbauen, eine kleine Wohnung suchen, zig Anträge bei Ämtern stellen....Lilly und ich leben heute nach einem langen Kampf von meinem Job und  HartzIV auf Darlehensbasis, aber immerhin weiß ich, dass wir ein Dach über dem Kopf haben und wovon ich Essen und Kleidung bezahlen soll.
Ich habe die Zähne zusammengebissen und mich durchgekämpft.
Wenn die kleine Lilly das kann, kann ich das auch, dachte ich mir.

Im April 2008 war P. das erste und letzte Mal hier um seine Tochter zu sehen.
Allerdings kam er spät und sie schlief schon.
Er habe sooo viel zu tun....
(Was, stellte sich einige Monate später raus).
Er war manisch und rastete komplett aus, bedrohte mich, drohte mit Selbstmord, wenn ich es wage, Betreuungsunterhalt zu fordern. Dann würde ich nämlich gar nichts kriegen, nicht mal Unterhalt für das Kind.
Das Kind....er wollte sie nie, ich hätte ihn erpresst, da ich mich geweigert habe, abzutreiben.
Ich hatte ihn noch nie in einem aggressiv manischen Schub erlebt, es war die Hölle, die totale Parallelwelt mit einem furchtbaren Sog.
Egal was ich sagte...er interpretierte es völlig anders...keine Empathie...ich weinte und zitterte, er merkte gar nicht, dass er mir Angst machte.
Um es kurz zu machen, an diesem Abend betrank ich mich.
Ich war 13 Jahre trocken gewesen.
Drei Monate später hatte ich einen Zusammenbruch, gestand meinen Eltern, dass ich wieder trinke und einen Entzug machen werde.
Sie rasteten aus.
Sie nehmen mir Lilly weg, ich sei nicht besser als ihr Erzeuger.
Sie warfen mich raus und ich musste mein Kind zurücklassen weil ich versagt hatte.
Ich fuhr nicht mal richtig angezogen mit Bus und U-Bahn in die Klinik und wollte eigentlich nur noch sterben.
Bei der Aufnahme hatte ich 2,8 Promille.
Morgens um neun.
Entzug gemacht, nach drei Tagen einen Tag vor Lilly's erstem Geburtstag entlassen worden.
Niemand, auch nicht meine Eltern haben das Jugendamt informiert, gottseidank.
Es war mir ein Leichtes, trocken zu sein....Schuldgefühle fraßen mich auf, noch heute, oft genug.
Langsam wuchs das Vertrauensverhältnis zwischen meinen Eltern und mir wieder.
Ich machte eine Therapie, zweimal die Woche.

Im September erhielt ich einen Anruf von einer Frau, die mir erklärte, sie sei eine der Exen von P.
Sie habe meine Nummer aus seinem Handy.
Sie wolle mich aufklären.
Das tat sie dann auch.
Er und sie lernten sich kennen, als ich im 5. Monat war.
Die große Liebe (auch).
Von mir erzählte er ihr nichts, nur von seiner Frau.
Während ich lag um Lilly durchzubringen und dachte, er sei in R. oder kümmere sich um seine krebskranke Frau, fuhr er mit ihr nach Mallorca. Ging ins Theater. Oper. Events, Feiern.
Später erfuhr ich von seiner Mutter (andere Geschichte....), dass er kaum in R. war und sich eben nicht um seine kranke Frau gekümmert hat, sondern sie hängen ließ, weswegen er die ganze Familie gegen sich aufbrachte.
Er war bei dieser anderen Frau, als ich die Notsectio hatte.
Und er machte mit mir Schluss, weil er nicht mit zwei Frauen gleichzeitig eine Beziehung führen kann...
Nachdem er mit der anderen Frau auf nicht minder eklige Weise Schluss gemacht hatte, kam raus – er hatte noch zwei Weiber nebenher.
Er prahlte damit.
Ich war froh, dass sie mich angerufen hatte.
Zwischen uns entstand eine enge Freundschaft, die eineinhalb Jahre anhielt und letztlich scheiterte, weil er ein zu großer Schatten war.
Sie überzeugte mich davon, zu einer Anwältin zu gehen, begleitete mich und bestärkte mich.
Also habe ich meinen Unterhalt durchgesetzt, bekam ihn aber nur ein Jahr, eben bis Lilly drei wurde.
Ein Tropfen auf dem heißen Stein, denn er bekommt 2.000 Euro (netto) BU-Rente und gibt davon nur ungern etwas her.
Seine neue....Gefährtin (60jährige, prominente Münchner Geschäftsfrau, sie schmückt sich mit ihm, er lebt in ihrer Society-Sonne) lässt ihn in ihrem 160m² Appartment in der teuersten Strasse Schwabings wohnen und hat ihm bescheinigt, dass er 800 € Miete zahlen muss.
Er muss aber nicht....nur auf dem Papier.
Und ich habe das Nachsehen.
Diese Freundin hatte damals in meinem Beisein telefonisch ein Gespräch mit der alten Dame geführt, da taten sich Abgründe auf aus Koks, Schampus, regelmäßigen 5000€-Einkäufen für ihn in den besten Läden und der Aussage: der Junge hat viel durchgemacht, ein Kind, das er nie wollte – dafür soll er zahlen ?
Ab dem Zeitpunkt habe ich ihn in mir getötet.
Er hat keinen Platz mehr in unserem Leben.
Dennoch hört mein Kind kein böses Wort über ihn, sie beginnt jetzt, mit fast vier,  nach ihm zu fragen und ich erkläre ihr, dass er krank sei, sich nicht kümmern oder bei uns sein könne, dass ich diese Krankheit jedoch nie bekommen werde (diese Angst muss ich ihr nehmen) und dass er trotzdem ihr Papa sei. Ich bin froh dass sie ihn nicht kennt…das würde es vielleicht noch schwieriger machen.
Ich versuche eine Gratwanderung, damit sie ihn weder zu idealisieren beginnt, noch verteufelt.
Seine Anwältin meinte vorletztes Jahr noch zu mir, dass er sich ja gerne kümmern will und ihm so viel an seiner Tochter liegt – einen Dreck tut er.
Letztes Jahr schreib sie mir , dass er im August die Unterhaltszahlungen für mich einstellt, da Lilly dann drei ist und ich voll arbeiten muss.
Meine Anwältin meinte, wir sollten klagen.
Er darf nicht davonkommen.
Aber ich habe nicht die Kraft für eine erneute Konfrontation mit ihm.

Meine Therapeutin habe ich gefragt, wie konnte ich nur ?
Auf so einen Blender reinfallen ? Mich mit einem verheirateten Mann einlassen ?
Sie meinte, ich dürfe nicht an mir und meinem Gefühl zweifeln und erklärte mir, dass ich reinfallen musste, da er manisch-depressiv ist.
Ich habe mich intensiv mit seiner Erkrankung auseinander gesetzt, um für mich ein Stück Frieden mit mir selber zu finden.
Als wir uns kennenlernten, war er medikamentös perfekt eingestellt.
Und er verschwieg mir seine Erkrankung.
Irgendwann setze er in der Manie die Medis ab, und die Hölle brach los, für alle Beteiligten.
Erst dann habe ich alles erfahren.
Sogar seine Mutter war nicht im Bilde, wie es wirklich aussieht.
Er ist überwiegend (gereizt) manisch, dazu kommt eine sehr ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstörung.
Bezeichnend ist nachwievor, dass er nicht den Hauch einer Krankheitseinsicht hat und in der Lage ist, selbst Psychiater und Psychologen an der Nase herumzuführen; zwar ist er in ärztlicher Betreuung, schmeißt diese aber ebenso wie die immer wieder mühsam auf ihn abgestimmte Medikation über den Haufen.
Im Nachhinein kann ich vieles deuten und erkennen, was ich im Rausch meiner Liebe nicht gesehen und gespürt habe...
Hinzukommt, dass er ein sehr intelligenter, kreativer Mensch ist und vieles wunderbar überspielen konnte.
Er zieht Frauen an wie das Licht Motten und benutzt sie, er ist in der Lage, einer Frau das Gefühl zu geben, sie sei die Einzige, die Wahre, die Größte, er konnte seine „Liebe“ zu mir artikulieren und mich spüren lassen, wie das noch kein Mann zuvor vermocht hat und ich war so tief in ihm verwurzelt, dass ich alle Zeichen übersehen habe und ihm alle Alibis geben habe, die ich geben konnte.
Ich habe einem Menschen noch nie so vertraut...es war das innigste, intensivste, was ich an Liebe erlebt habe.
Und es war nichts als eine Farce...
Seine Ehe, unsere Beziehung, die diversen Parallelbeziehungen....alle Frauen dachten, sie seien die Einzige, die über alles  geliebte Frau.
Und da waren gestandene Frauen dabei, außer mir waren sie alle teils um Jahre älter als er, selbstständige, taffe Karrierefrauen, keine Dotscherln...und auch sie sind auf ihn reingefallen.
Für mich persönlich ist noch sehr schlimm, dass zwischen ihm und meiner „Mutter“ krasse Parallelen herrschen...auch meine Mutter war nie so, wie sie war...auch sie war eine Blenderin, ihre Stimmung konnte von einer Sekunde auf die andere dramatisch umschlagen und ihr Leben, sie selbst, war eine immense Lüge...wie er verfügt sie nicht über einen Hauch von Empathie – ich habe weder bei ihm noch bei ihr je erlebt, dass ihnen etwas leid tut, dass sie sehen, dass sie andere Menschen verletzt haben, im Gegenteil, beide sind meine Opfer....ich habe ihr Leben zerstört.
Weil ich nicht das Kind war, wie meine „Mutter“ es wollte und weil ich ein Kind geboren habe, das er nie und unter keinen Umständen wollte.
Ich habe ein Gefühl verinnerlicht, als bewege ich mich durchs Leben wie durch ein Heer von Heckenschützen, immer mit eingezogenem Kopf, immer auf der Hut, weil jeden Moment ein Schlag kommen kann, Prügel, Bespucken oder nur eine Abwertung und Zynismus, ich kenne das Gefühl, sich nie und nimmer verlassen zu können, kein Vertrauen haben zu dürfen um das Überleben zu sichern von klein auf und hatte es in Jahren der therapeutischen Begleitung aufgearbeitet, dann habe ich mich ganz und gar einem Menschen, dem Vater meines Kindes, hingegeben und es passierte wieder das gleiche wie damals.
Deshalb sind diese beiden, meine „Mutter“ und der Vater meiner Tochter für mich die gefährlichsten Menschen der Welt.
Und ich muss sie meiden, wie es nur geht.
Zumindest im Moment noch.